Montag, 14. Februar 2005

Energierechtsnovelle droht als dreister Subventionsdeal für große Unternehmen zu enden

Energierechtsnovelle droht als dreister Subventionsdeal für große Unternehmen zu enden

Berlin, 13.02.2005: Vor der entscheidenden Koalitionsrunde zur Energierechtsnovelle (EnWG) an diesem Montag hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) die Bundesregierung vor weiteren Zugeständnissen an die großen Konzerne
aus Energiewirtschaft und Industrie gewarnt. Was hier vorbereitet werde, sei "der durchsichtige Versuch, den großen Energiekonzernen und Stromnetzbetreibern Milliardeneinahmen zu sichern und im Gegenzug die energieintensive Großindustrie mit halbierten Stromtransportkosten ruhig zu stellen".

Beides zusammen werde sich verheerend auf die künftige Höhe der Stromdurchleitungskosten für alle anderen Endkunden auswirken. "Das ist ein Doppelschlag gegen Handwerk, Mittelstand und private Haushalte, die die Zeche für die Entlastung der Konzerne zahlen müssen", sagt DUH-Energieexperte Stefan Bundscherer.

Das eigentliche Ziel der seit Jahren überfälligen Novelle, endlich Wettbewerb in der deutschen Energiewirtschaft zu schaffen und allen Stromanbietern diskriminierungsfrei den Zugang zu den Stromnetzen zu ermöglichen, werde so in sein Gegenteil verkehrt. Neue Energieanbieter, die Strom dezentral und aus umweltschonenden erneuerbaren Energien anböten, blieben aufgrund überhöhter
Netznutzungsentgelte weiterhin vom Markt ausgeschlossen, wenn Wirtschaftsminister Clement den Stromkonzernen auf den Leim gehe. "Was der deutsche Energiemarkt jetzt braucht, sind faire Netzpreise
und eine Chance für umweltgerechte Stromerzeuger - ohne weitere Verzögerung. Daher erwarten wir eine glasklare Anreizregulierung für echten Wettbewerb und Antidiskriminierungsregeln für neue Energieanbieter. Milliardengeschenke zulasten von Mittelstand, Verbrauchern und Umwelt haben dort nichts zu suchen. Das EnWG muß noch im Februar im Bundestag verabschiedet werden", forderte Bundscherer von der Koalitionsrunde.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement will den großen deutschen Stromversorgern bei der Kalkulation ihrer Netzentgelte das für die Konzerne günstige Kalkulationsprinzip der Nettosubstanzerhaltung erlauben und ihnen in der EnWG-Novelle darüber hinaus die Anrechnung der Körperschaftssteuer als Kosten zugestehen. Damit könnten die Energieriesen nach Detail-Berechnungen des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) die von ihnen kürzlich bis 2010 angekündigten Netzinvestitionen in Höhe von 9,3 Mrd. EUR vollständig aus diesen Zugeständnissen finanzieren und erhielten noch 6 Mrd. EUR als Zugabe. Für die Netznutzer würde Clements Morgengabe an die Konzerne jährliche Zusatzkosten von 2,5 Mrd EUR verursachen.

Weil dagegen ein Proteststurm der energieintensiven
Großverbraucher (Chemieindustrie, Aluminiumhersteller etc.) losgebrochen wäre, wünscht sich Clement im Gegenzug eine Halbierung der Netzdurchleitungsgebühren für diese Verbrauchergruppe. Die Gesamtrechnung der Clementschen Konzernpolitik würde anschließend Handwerk, Mittelstand und privaten Haushalten präsentiert. Die Deutsche Umwelthilfe hält eine neuerliche Entlastung der energieintensiven Industrien angesichts der hierzulande gegenüber
1998 immer noch um fast ein Fünftel geringeren Industriestrompreise für skandalös. Milliardenschwere Ausnahmeregelungen gebe es für diese Branchen schon jetzt bei der Ökosteuer, bei der Härtefallregelung im Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG-Umlage) und beim Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz. "Clements Ausnahmetatbestände sind für
die Energiefresser längst zur lieb gewonnen Regel geworden", erklärte Bundscherer. "Jetzt erwarten diese Branchen mit der Halbierung ihrer Netzentgelte den nächsten Schluck aus der Pulle."

Auch die Anrechnung der Körperschaftssteuer als Teil der Kostenrechnung für die Netzentgeltberechnung wäre in anderen Zusammenhängen vollkommen undenkbar. "Das ist so, als ob Ihnen der KIempner seinen Steuerbescheid mit auf die Rechnung schreibt", sagt Bundscherer.

Die Deutsche Umwelthilfe warnte die Energiekonzerne, beim Poker um die Energierechtsnovelle zu überziehen. Es sei kaum vorstellbar, dass die EU-Wettbewerbskommission derart durchsichtige Subventionstatbestände und Wettbewerbs-Verhinderungsstrategien hinnehmen würde. Bei einem Durchmarsch der Konzerne werde die Diskussion über das so genannte "eigentumsrechtliche Unbundling" mit voller Wucht losbrechen. Darunter versteht die EU eine Entflechtung der Konzerne, bei der die Stromerzeuger ihre Netzbetreiber-Gesellschaften an private Interessenten oder den Staat verkaufen müssten.


Autor: Deutsche Umwelthilfe e.V.

Quelle:
http://www.umweltjournal.de/fp/archiv/AfA_politik/7960.php

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